Wie war 2018? – Pessimismus als Folge psychologischer und statistischer Effekte

Die paar Tage zwischen Weihnachten und Silvester sind die Zeit, in der man das vergangene Jahr Revue passieren lässt. War dieses Jahr schlecht oder gut? Was ist alles passiert? Was wünsche ich mir für das nächste Jahr? 

Hört man sich bei Jugendlichen in meinem Alter einmal um, so wird man viele Sprüche wie „Ich kann nicht warten, bis dieses Jahr vorbei ist“  zu Ohren bekommen.  Aber wieso ist das so? 

Kann 2018 tatsächlich so schlimm gewesen sein?

Der Indikator, der in der Presse meist zur Evaluation eines Jahres benutzt wird, ist ein Mix aus Weltpolitik und Wirtschaft. Für uns Jugendliche ist beides noch von vergleichsweise geringer Bedeutung. Außerdem ist der Rückblick auf die vergangenen Ereignisse immer eine überaus persönliche Erfahrung. Selbst ein Jahr, in dem der Welthunger endet und niemand mehr in Armut lebt, würde noch lange nicht bedeuten, dass auch eine einzelne Person ein tolles Jahr hatte.

Der Eindruck, den das vergangene Jahr hinterlassen hat, hängt außerdem von dem vorherigen Jahr ab. Dieses dient dabei als „reference point“ und beeinflusst die Bewertung des letzten Jahres. Hatte man also ein herausragendes 2017 und ein gutes 2018, so steht 2018 im Vergleich zu seinem Referenzpunkt weniger gut da und könnte mental als „schlecht“ verbucht werden. Erzielt man in einem Schulfach über ein Semester hinweg konstant sehr gute Leistungen, beginnt das nächste aber mit einer lediglich guten Leistungen, so wird man enttäuscht sein und sich über die Note ärgern. Hätte derselbe Schüler in der letzten Klausur jedoch eine Drei gehabt und in der nächsten eine Zwei geschafft, so würde er sicher erleichtert sein und sich freuen. Dies ist durchaus paradox und ,wenn man so will, ein Fehler des menschlichen Denkapparats, denn schließlich bleibt der tatsächliche Wert der Note 2 (= gut) gleich. Eine identische Bewertung sollte folglich erwartet werden, wird jedoch durch den besseren bzw. schlechteren Referenzpunkt „verwischt“. 

-> „Nur weil dieses Jahr nicht ganz so gut war wie das letzte, heißt das nicht, dass es schlecht war.“

Es ist sehr selten, dass man durchgehend gleich gute Jahre oder auch Noten hat, im Gegenteil, solche Fluktuationen sind ganz normal und in der Statistik als „regression to the mean“ bekannt. 

Alle Ereignisse der Welt sind zu einem gewissen Maß vom Zufall beeinflusst, und auch die besten Pokerspieler verlieren einmal, wenn sie eine schlechte Hand bekommen. Wird man sich diesem (oftmals erleichterndem) Effekt bewusst, so merkt man, dass es unmöglich sein kann, immer Glück zu haben. Deshalb sind Ergebnisse, die unter der durchschnittlichen Leistung/Erfahrung liegen, ganz normal und ein weniger gutes Jahr darf nicht gleich als schlecht eingeordnet werden. 

Die Kenntnis dieses Effekts darf schlechten Erfahrungen trotzdem nicht den Stachel nehmen und sie blind dem Zufall zuordnen – Kritisches Hinterfragen bleibt wichtig. 

-> „Mach dir keine Sorgen nur weil dieses Jahr nicht so gut war wie das letzte, das ist ganz normal und das nächste wird wieder besser.“

Eine weitere Besonderheit des Gehirns (mind) ist etwas, das sich „loss aversion“ nennt. Jeder von uns hat wahrscheinlich schon einmal irgendwo gehört, dass schlechte Dinge stärker in Erinnerung bleiben als gute. Dies hat damit zu tun, dass Negatives mit Gefahr assoziiert wird und es in den Zeiten unserer frühesten Vorfahren wichtiger war, lebensbedrohliche Gefahren wahrzunehmen und zu erinnern als schöne Dinge. Aufgrund dessen behält man negative Ereignisse viel länger und intensiver in Erinnerung als positive. Im Normalfall wiegt Negatives dabei doppelt so schwer wie Positives. Nimmt man an, dass der Eindruck eines Jahres von einigen wenigen Ereignissen geprägt wird (sowohl negativ als auch positiv), so bemerkt man, dass dies eine der Hauptursachen von Pessimismus ist. 

    Nehmen wir einmal an, man würde versuchen, die Erinnerung positiver und negativer Ereignisse eines Menschen innerhalb eines Jahres auf einer Skala von -10 bis +10 darzustellen; die Addition der Werte würde dann zeigen, ob dessen letztes Jahr schlecht oder gut war. 

Ein hervorragendes Ereignis ist dabei klar eine 10 und ein relativ schlechtes eine -5. Da schlechte Ereignisse jedoch in unserer Erinnerung doppelt wiegen, reicht ein relativ schlechtes bereits, um ein hervorragendes zu egalisieren und ein schreckliches entspräche sogar 4 relativ guten. 

-> „Vielleicht war dein Jahr gar nicht so schlecht, vielleicht misst du den schlechten Ereignissen nur zu viel Bedeutung zu und vergisst so alles Gute.“

Der beste Weg zu einer unverfälschten Evaluation wäre es sicher, jeden Tag abends auf einer solchen Skala zu bewerten und dann am Ende des Jahres Bilanz zu ziehen. Es gibt durchaus Tagebuch-Apps, die es erleichtern, ein solches Stimmungsbarometer zu führen, doch dadurch kann man auch zu dem ernüchterndem Ergebnis kommen, etwas als zu gut eingeschätzt zu haben. Der Zweck dieses Artikels ist es jedoch, über den Pessimismus, den man sich möglicherweise selbst einbringt, hinwegzuhelfen. Und so will ich noch ein letztes Phänomen einführen: den peak-end-effect. Dieser besagt, dass die Bewertung der Erinnerung eines Zeitraums vor allem sowohl von dem emotionalsten Erlebnis als auch von den letzten Erlebnissen (die man noch gut in Erinnerung hat) beeinflusst wird. Passiert am Ende eines Jahres (kurz vor der Evaluation) also noch etwas schlechtes, so wird dieses noch schwerer gewichtet als die anderen Erlebnisse. Umgangssprachlich sind das die Ereignisse, die einem „alles vermiesen“. 

-> „Vergiss nicht wegen dieser einen Sache alle anderen guten Dinge, die dieses Jahr passiert sind.“

Ich hoffe von tiefstem Herzen, dass alle Leser dieses kleinen Artikels ein wundervolles 2018 hatten und einige vielleicht sogar entdecken, dass alles nicht ganz so wild gewesen sein könnte, wie es möglicherweise erscheint. Des Weiteren ermutige ich all die, die ein wahrlich schlechtes Jahr hatten, dazu, den Kopf nicht hängen und Vergangenes vergehen zu lassen. Der Jahreswechsel bietet eine seltene Gelegenheit für einen mentalen Neustart, sei es, um aus einem Loch zu kommen oder die höchsten Gipfel zu erklimmen. 

Ich wünsche allen einen guten Rutsch in ein hoffentlich noch besseres 2019! 

Wie war 2018?

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